Insbesondere bei der rechtlichen Prüfung im Rahmen des Ankaufs einer französischen Immobilie stellt sich nicht selten heraus, dass bestehende Bauwerke unter Missachtung der Vorschriften des französischen Bauordnungsrechts errichtet wurden.
Fraglich ist, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus einer derartigen Rechtswidrigkeit für den Erwerber bzw. Eigentümer der Immobilie ergeben. Auf diese Frage soll der vorliegende Artikel Antworten erteilen.
Zunächst ist besonders festzuhalten, dass als illegal oder rechtswidrig im französischen Bauordnungsrecht solche Bauwerke bezeichnet werden, die nach 1943 ohne Baugenehmigung errichtet wurden, und solche Bauwerke, die zwar auf der Grundlage einer grundsätzlich erteilten Baugenehmigung errichtet wurden, in der Ausführung mit den Vorgaben dieser Baugenehmigung allerdings nicht übereinstimmen.
Diese illegalen und rechtswidrigen Bauten sind verschiedenen Typen von Sanktionen ausgesetzt, die unterschiedlichen Verjährungsregeln unterliegen:
I. Strafrechtliche Sanktionen
Die Errichtung eines rechtswidrigen Bauwerks stellt eine Straftat dar, die vor den Strafgerichten verfolgt wird (Artikel L. 480-1 fortfolgende des französischen Bauordnungsgesetzbuchs „Code de l’urbanisme“). Folgende Strafen können verhängt werden: Geldstrafe oder im Wiederholungsfall Freiheitsstrafe einerseits (Artikel L. 480-4) oder aber auch Anordnung regelgerechter Instandsetzung oder Abriss des Bauwerks (article L. 480-5).
Sind die Arbeiten noch im Gang, kann auf Anweisung der Staatsanwaltschaft oder des Bürgermeisters die Unterbrechung angeordnet werden. (Article L.480-2).
Wie jedes Strafdelikt verjährt es innerhalb von 3 Jahren (Artikel 8 des Strafprozessgesetzbuchs, Code de la procédure pénale). Folglich muss die Rechtswidrigkeit der Arbeiten innerhalb einer Frist von 3 Jahren seit der Beendigung der Arbeiten festgestellt werden.
Ist diese Frist verstrichen, kommt eine strafrechtliche Verfolgung nicht mehr in Betracht.
Es ist zu beachten, dass die Beendigung der Arbeiten ein Sachverhaltsumstand ist, der vom betroffenen Eigentümer zu beweisen ist.
II. Zivilrechtliche Sanktionen
1. Zivilrechtliche Sanktionen auf Initiative von dritten Privatpersonen
Jede Person, die aufgrund der Fertigstellung einer rechtswidrigen Bebauung einen persönlichen Schaden erleidet, kann den Urheber des Bauwerks gemäß Artikel 1382 des französischen Zivilgesetzbuchs (Code civil, fortan kurz: Cc) verklagen. Hierfür ist es nötig, dass das Bauwerk eine Regel des Bauordnungsrechts verletzt und dass der Kläger nachweist, dass diese Verletzung einen kausalen Schaden nach sich zieht.
Dieses Recht verjährt innerhalb von 5 Jahren beginnend mit der Kenntnisnahme der Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt werden kann, Artikel 2224 Cc.
2. Zivilrechtliche Sanktionen auf Initiative der Verwaltung
Auf der Grundlage des Artikels L480-14 Code de l’urbanisme kann die Verwaltung das örtliche Landgericht anrufen und den Abbruch oder die Konformitätsherstellung verlangen, wenn das Bauwerk ohne Genehmigung oder unter Mißachtung der Vorgaben einer Genehmigung errichtet wurde oder auch dann wenn keine Genehmigung erforderlich war aber die Vorschrift des Artikels L421-8 mißachtet wurde. Dieses Rechts verjährt innerhalb von 10 Jahren seit Fertigstellung des Bauwerks. Hierfür beweispflichtig ist der Eigentümer.
III. Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen
1. Versagung des Antrags auf Errichtung prinzipiell genehmigungsfähiger weiterer Bauten auf demselben Grundstück
Soweit ein Grundstück mit einem rechtswidrigen Bauwerk bebaut ist, kann die Verwaltung die Erteilung einer Genehmigung für den Bau eines weiteren oder erweiternden Bauwerks auf dem gleichen Grundstück versagen, auch wenn diese Erweiterung alleine prinzipiell genehmigungsfähig wäre, solange nicht die ursprüngliche rechtswidrige Bebauung bauordnungsrechtlich regularisiert. wird.
Wenn allerdings zwischen der Fertigstellung der rechtswidrigen Bebauung und dem neuen Genehmigungsantrag eine Frist von mindestens 10 Jahren liegt, kann sich die Verwaltung nicht mehr auf die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bebauung berufen, um die neue Genehmigung abzulehnen. Der Gesetzgeber hat hier eine vollumfängliche Verjährung vorgesehen.
Der Gesetzgeber hat allerdings bestimmte Sachlagen vorgesehen, in denen die Verjährungsregel wiederum nicht anzuwenden ist, Artikel L421-9 Code de l‘urbanisme. Es handelt sich um die folgenden Fälle:
- wenn das Bauwerk durch seine Lage so beschaffen ist, dass es seine Nutzer oder Dritte dem Risiko des Todes oder dem Risiko einer schweren oder eine dauerhafte Behinderung nach sich ziehenden Verletzung aussetzt ;
- wenn ein Verfahren zum Abriss unter den in Artikel L. 480-13 vorgesehenen Bedingungen eingeleitet wurde ;
- wenn das Bauwerk sich in Anwendung des Artikels L.341-2 und folgende des Umweltgesetzbuchs in einem Schutzgebiet oder in einem nach Artikel L.331-1 und folgende des gleichen Gesetztes geschaffenen Naturparks befindet ;
- wenn sich das Bauwerk auf Staatseigentum befindet ;
- wenn das Bauwerk ohne jede Baugenehmigung errichtet wurde ;
- in Gebieten, die in Nr. 1 des 2. Absatzes des Artikels L. 562-1 des Umweltgesetzbuchs vorgesehen sind (besonderen Risiken ausgesetzte Zonen genannt „Gefahrenzonen“).
2. Versagung des Anschlusses an die öffentlichen Versorgungsnetze
Soweit ein Grundstück mit einem rechtswidrigen Bauwerk bebaut ist, kann der Anschluss an die Versorgungsnetze versagt werden, Artikel L111-12 Code de l’urbanisme.
3. Versagung des Wiederaufbaus nach Zerstörung
Artikel L111-15 des Code de l’urbanisme bestimmt wörtlich : « Wenn ein Gebäude, das rechtmäßig errichtet wurde, zerstört oder abgerissen wird, ist sein Wiederaufbau innerhalb einer Frist von 10 Jahren zu genehmigen, auch wenn Vorschriften des Bauordnungsrechts dem entgegenstehen, es sei denn der kommunale Raumordnungsplan, der örtliche Bebauungsplan oder der Plan zur Vorbeugung gegen Natur- und Technologierisiken sieht anderes vor. »
Im Gegenschluss hierzu wird gefolgt, dass das Recht zum Wiederaufbau versagt wird, wenn das Bauwerk ursprünglich rechtswidrig erbaut wurde.
Auch diese Sanktion unterliegt keiner Verjährung.
IV. Steuer- bzw. Abgabenrechtliche Sanktion
Die Gemeinde kann auch bei illegalen Bauten, die bei legalen Bauten zu zahlenden Erschließungskosten erheben. Die Erhebung von Erschließungsabgaben verjährt mit Ablauf des sechsten Jahres, das auf die bauliche Fertigstellung des Gebäudes folgt, wobei auch hier der Eigentümer die Beweislast für das Datum der tatsächlichen Fertigstellung trägt.
Stand: 01.11.2017
Autor: Armin Vigier, Rechtsanwalt-Avocat
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